
Dr.-Ing. Thomas Springer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Rechnernetze der Fakultät Informatik an der TU Dresden.
In der Winterausgabe des ENSO-Magazins haben Sie im Beitrag zur Kommunikation der Zukunft auf den Seiten 16/17 vielleicht schon über unser aktuelles Forschungsprojekt an der Professur Rechnernetze der Technischen Universität Dresden gelesen: MapBiquitous.
Wir arbeiten an einer Lösung, die Ortung und Navigation im Innen- und Außenbereich von Gebäuden verbindet. Eine Anwendungsmöglichkeit ist die Verwaltung von Gebäuden – bis hin zum Energieverbrauch einzelner Räume.
Sie waren sicher schon einmal in der Situation, sich in einer neuen Umgebung schnell orientieren zu müssen. Navigationssysteme für Fahrzeuge oder Apps auf dem Smartphone helfen hier weiter.
Sie stellen den aktuellen Aufenthaltsort auf einer Karte dar und können einen Weg zum gewünschten Zielort ermitteln. Große Umwege und das umständliche Hantieren mit Karten gehören dank dieser modernen Helfer der Vergangenheit an.
Dies funktioniert schon sehr gut für den Außenbereich. Betritt man jedoch ein Gebäude, endet die Unterstützung, obwohl es vielfältige Anwendungsbereiche dafür gibt.
Denken Sie etwa an Museen, Messen, Flughäfen oder Einkaufszentren. In solchen großen Gebäuden ist die Orientierung meist nicht so einfach.

Blick ins Hörsaalzentrum der Technischen Universität Dresden, Foto: TUD/Eckold
Ein weiteres Beispiel ist der Universitätscampus. Jahr für Jahr müssen sich Studenten im ersten Semester neu orientieren und auf dem sehr weitläufigen Universitätsgelände das richtige Gebäude mit dem Hörsaal für die nächste Vorlesung finden.
Die Schwierigkeiten im Innenbereich haben zwei wesentliche Gründe: Zum einen fehlt das „Kartenmaterial“ für Gebäude, zum anderen funktioniert die Positionsbestimmung mit dem Global Position System (GPS) – also die Ortsbestimmung mit Hilfe von Satellitensignalen – nur sehr unzuverlässig, weil die Signale für den Empfang in Gebäuden in der Regel zu schwach sind. Die Darstellung der gegenwärtigen Position auf einem Gebäudeplan und die Berechnung von Routen zwischen Räumen sind damit nicht möglich.
In unserem Projekt MapBiquitous entwickeln wir eine Lösung, die Ortung und Navigation im Innen- und Außenbereich miteinander verbindet. Der Name MapBiquitous setzt sich aus dem Worten Map und Ubiquitous zusammen, was so viel wie „allgegenwärtige Karten“ bedeutet.
Das System soll es jedem ermöglichen, Gebäudedaten bereit zu stellen – vergleichbar mit Webseiten im Internet. Öffnet man die App auf dem Smartphone, werden die Pläne der umliegenden Gebäude von Gebäudeservern wie bei Webservern automatisch geladen und direkt auf einer Karte für die Umgebung dargestellt.
Mit einem Fingerdruck auf einen Raum können die Raumnummer und Informationen zur Raumnutzung angezeigt werden, beispielsweise der Belegungsplan eines Besprechungsraumes. Weiterhin lassen sich Räume nach ihrer Bezeichnung suchen und interessante Orte in Gebäuden per Pin-Nadel markieren und speichern.
Die Routenberechnung funktioniert innerhalb eines Gebäudes ebenso wie zwischen Räumen in unterschiedlichen Gebäuden. Dazu ermitteln die betroffenen Gebäudeserver die Teilrouten und verknüpfen sie mit einer Teilroute für den Außenbereich zu einer vollständigen Route. Möglich wird das durch standardisierte Gebäudedaten. Diese beinhalten neben den Etagenplänen auch Informationen zu den Wegen durch ein Gebäude.
Das hört sich zunächst sehr kompliziert an, bietet aber entscheidende Vorteile. Auf diese Weise kann jeder zum Gesamtsystem beitragen und Gebäudedaten bereitstellen. Der in der Regel sehr hohe Aufwand für deren Erfassung, Aufbereitung und Aktualisierung verteilt sich dadurch auf viele Schultern.
Besitzer oder Betreiber eines Gebäudes behalten damit außerdem die Kontrolle über die bereitgestellten Daten und können jederzeit entscheiden, welche Daten über das Gebäude für die Öffentlichkeit zugänglich sind und welche nicht. Nicht zuletzt verteilt sich die Last der Datenanfragen auf zahlreiche Gebäudeserver, so dass MapBiquitous auch sehr viele Nutzer weltweit bedienen kann.
Die Positionsbestimmung in Gebäuden ist derzeit ein intensiv bearbeitetes Forschungsgebiet. Vielfach wird in der Praxis dafür die ohnehin schon vorhandene WLAN-Technik verwendet. Leider ist die so ermittelte Position häufig sehr ungenau. Außerdem sind solche Geräte nicht überall in ausreichender Zahl installiert.
Alternativ können auch die Sensoren verwendet werden, die heute in jedem modernen Smartphone eingebaut sind. Mit Beschleunigungssensoren lassen sich etwa Vorwärtsbewegung und Richtungsänderungen feststellen. Wie bei der Navigation auf See können dann ausgehend von einem bekannten Punkt die Bewegungen eines Nutzers verfolgt und damit die neue Position ermittelt werden.
Zukünftig werden wir auch neue Geräteformen wie Google Glass einbinden. Für den Nutzer wäre ein in eine Brille integriertes Display, in dem die Anweisungen für die Navigation eingeblendet werden, natürlich viel bequemer als ein ständiger Blickwechsel zwischen Smartphone-Bildschirm und Laufrichtung.
MapBiquitous ist selbst keine App, sondern die Grundlage für die Umsetzung verschiedenster Apps. Neben den bereits genannten Anwendungsmöglichkeiten bietet sich die Verwaltung von Gebäuden besonders an. Mit MapBiquitous können etwa automatisierte Gebäudefunktionen wie die Steuerung von Heizung, Licht und Jalousien visuell den jeweiligen Räumen zugeordnet werden.
Ebenso ließe sich der Energieverbrauch in den einzelnen Räumen visualisieren, wodurch beispielsweise gezielt ein zu hoher Verbrauch aufgedeckt und analysiert werden könnte. Das würde es auch ermöglichen, Energiesparmaßnahmen anzustoßen - indem in leeren Räumen das Licht gelöscht wird und noch laufende Geräte in den Ruhezustand versetzt werden.